header

17.01.2018

TREUE – RECHTemotionale Basis für private und berufliche Beziehungen

Dass Treue in allen erdenklichen Ausformungen eine moralische Grundlage für zwischenmenschliche Beziehungen ist scheint jedem klar. Aber kaum jemand weiß, dass (und wie weit) das österreichische Recht vielfach zur Treue verpflichtet. Scheinbar war die moralische Grundlage nicht ausreichend…

Eine ausdrückliche Beistands- und Treuepflicht ist im Eherecht (und indirekt im Familien- und Erbrecht) zu finden. Die eherechtliche Treue umfasst nicht nur sexuelle Treue sondern auch Vertrauen im weitesten Sinn. So haben Ehegatten einander etwa Einblick in ihre privaten und beruflichen Tätigkeiten zu gewähren, Geheimnisse des anderen Partners vertraulich zu halten und einen über einen freundschaftlichen, harmlosen Umgang mit einer anderen Person hinausgehenden Kontakt zu unterlassen. Die Treuepflicht wird durch eine eigens normierte Beistandspflicht ergänzt. Verletzungen dieser Pflichten können zur Scheidung berechtigen (in Österreich kann man sich nicht grundlos gegen den Willen des anderen scheiden lassen) und für die Verschuldensfrage (Unterhalt!!) entscheidend sein.

Zwar logisch, aber dennoch wenig bekannt ist die Treuepflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Darunter ist – neben der Pflicht zur Arbeitsleistung – eine breit gefächerte Fremdinteressenwahrungspflicht zu verstehen. Der Arbeitnehmer hat auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen und insbesondere alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtigt. Diese Treuepflicht beinhaltet, dass Arbeitnehmer den Arbeitgeber im Rahmen der Beistandspflicht und Anzeigepflicht vor drohenden Schäden zu warnen und zu deren Beseitigung beizutragen haben. Dies umfasst unter Umständen ungeplante Überstunden, Urlaubsstornierungen und –sperren oder sogar vorübergehendes Einspringen bei von der eigenen Tätigkeit abweichenden Arbeiten. Weiters sind Arbeitnehmer zur Verschwiegenheit über vertrauliche Tatsachen angehalten, dürfen keine Geschenke annehmen, kein abträgliches Privatleben führen und keinen anderweitigen Beschäftigungen nachgehen. Diese Treuepflichten können nur teilweise einvernehmlich abgeändert werden, und ihre Verletzung zieht unter Umständen die fristlose Entlassung (Verlust aller Ansprüche) und Schadenersatzforderungen nach sich.

Spannend ist auch die Treuepflicht der Gesellschafter im Gesellschaftsrecht.  Das österreichische Recht spricht immer dann von einer Gesellschaft, wenn sich zwei oder mehrere zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes zusammentun und organisieren. Arbeitsgemeinschaften (ARGE), Zusammenschlüsse (auch von Ehegatten, eingetragenen Partnern oder Lebensgefährten) für gemeinsame Projekte oder etwa Interessens- und Stimmbindungsgemeinschaften sind Anwendungsfälle, bei denen die Beteiligten oft nicht davon ausgehen „Gesellschafter“ und damit zur Treue verpflichtet zu sein. Und dennoch sind sie es. Diese Treuepflicht gilt primär gegenüber der Gesellschaft, aber auch gegenüber den Mitgesellschaftern. Zuerst sind die Interessen der (gemeinsamen) Gesellschaft zu fördern und man darf der Gesellschaft nicht schaden. Jedoch: die gemeinsame Zweckverfolgung und wechselseitige Abhängigkeit voneinander erfordern eine Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Mitgesellschafter. Die Konsequenzen reichen von Schadenersatz bis Ausschluss, in besonders schweren Fällen kommt auch strafrechtliche Verfolgung in Betracht.

Dies alles bestätigt einmal mehr, dass für alle zwischenmenschlichen Beziehungen – gleich ob privat oder beruflich – die gleichen Spielregeln gelten, damit sie funktionieren. Schade, dass der Gesetzgeber das Einhalten in manchen Beziehungen erzwingen muss.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert