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03.02.2016

Wenn Lebensthemen zur Belastungsprobe für Freundschaften werden …

Jeder Mensch ist gelegentlich mit existentiellen Lebensthemen und -entscheidungen konfrontiert: Trenne ich mich oder bleibe ich … Ziehe ich ins Ausland? …Kind oder nicht … Nehme ich den Job an oder nicht… Wie soll mein Leben ohne den geliebten Menschen weitergehen… Diese Phasen bringen mit sich, dass alle eigenen UND einige externe Kräfte wie die von Freunden, Partner, Familie, Experten … zur Bewältigung herangezogen werden müssen und wenig Kapazitäten für Anderes bleibt. Geben und nehmen stehen dann in keinem ausgewogenen Verhältnis mehr.

Üblicherweise gibt es im Außen bei solchen elementaren Themen zunächst viel Verständnis und Bereitschaft zuzuhören, Rücksicht zu nehmen, zur Hand zu gehen und sogar als Prellbock für schlechte Laune herzuhalten. Und zwar auch bei egoistischeren Naturellen oder Menschen, die nicht grundsätzlich zur Selbstaufgabe neigen.

Doch wie lange ist es „gesund“ und für eine zwischenmenschliche Beziehung förderlich, einen von zweien mit Samthandschuhen anzufassen und eine extreme Schieflage in der Verteilung von Interesse und Zuhörzeit zuzulassen? Einige Tage? Ein paar Wochen? Monate?

Hier spielen mehrere Aspekte eine Rolle:

  1. Auf der Seite des „Vernachlässigten“: das Zurückstecken eigener Bedürfnisse und Themen kostet Kraft, ebenso wie das empathische Zuhören und Einfühlen. Je nachdem, wie viele andere Kraftquellen und Ressourcen dem „Vernachlässigten“ neben der momentan einseitigen Freundschaft zur Verfügung stehen und ob bei ihm selbst gerade Lebensthemen anstehen, wird er die Schieflage länger oder kürzer aufrecht erhalten können, ohne dass er und/oder die Beziehung Schaden nimmt.
  2. Auf der Seite des „Bevorzugten“: jeder Mensch – also auch der „Bevorzugte“ – hat ein neurologisches Grundbedürfnis nach Wachstum und Entwicklung, dh er will irgendwann seine Herausforderung meistern und zu einem aktualisierten Alltag übergehen. Dieses Bedürfnis verstärkt sich langsam oder schnell – je nach Typ -, und oft werden dann bereits gewohnt gewordene Aufmerksamkeiten plötzlich schroff abgelehnt oder verweigert.
  3. Auf der Seite der Freundschaft: hier spielen bisher Erlebtes (Bonuskonto) sowie Durchgemachtes (Maluskonto) eine erhebliche Rolle! Wenn Freundschaften eine durchwegs eine einseitige Verteilung der Rollen (immer zu Lasten desselben) aufweisen, dann ist es an der Zeit, dass beide Seiten ihre Defizite gut anschauen. Denn beide Verhaltensmuster (immer hilfenehmend bzw. immer helfend) benötigen immer ein Pendant im Außen und weisen auf Selbstwertdefizite hin.

Eine der Todsünden: die Bereitschaft des anderen, sein Leben eine Weile zurückzustecken als selbstverständlich zu nehmen! Wenn man zu lange zuwartet, passiert das unweigerlich! Hier hilft nur eines: reden, reden, reden – und zwar über die konkreten Verhalten beider Seiten in jeder Situation. Dann kann eine Freundschaft alles aushalten!

1 Kommentare

  1. Hanna Fiedler

    Auf der Seite der „Angehörigen“: hier sind Personen, die sich nicht zurückziehen können, aber sehr viel Kraft dafür aufwenden ihren eigenen Platz im System zu finden, halten, behaupten. Ein Achten auf den Platz anderer wird auf Dauer zu einer absoluten Überforderung. Es ist dann fast so, als würde man gleichzeitig mit einem Bein im und mit dem anderen Bein außerhalb eines rollenden Autobusses stehen und zu versuchen den Bus anzuhalten UND die noch draußen befindlichen Personen zu warnen. Kurz geht das ja vielleicht ganz gut……

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