02.07.2015
In letzter Zeit kommen wieder verstärkt Klienten mit dem Thema „Konfliktscheu“ zu mir! Sie spüren, dass ihre schlichtende, vermittelnde, besänftigende, ablenkende und/oder Kritik zu persönlich nehmende Haltung kräfteraubend und nicht (mehr) stimmig ist.
Mehr als die Hälfte aller Menschen verhalten sich streitvermeidend und beschwichtigend!!! Dabei ist die Fähigkeit, Konflikte konstruktiv zu managen oft maßgebend für Karriere, Partnerschaft und Erziehung.
Jedes Verhalten(smuster) war irgendwann in irgendeinem Kontext nützlich, wenn nicht lebensnotwendig. Auch für Konfliktscheu sind die Ursachen in der Kindheit zu finden. Je nachdem welche Diskussions- und Streitkultur die Elternteile untereinander bzw. die Elternteile mit uns pflogen und je nach unseren dadurch verletzten Bedürfnissen haben wir uns ein Verhalten angeeignet um mit der Lage (subjektiv) bestmöglich klarzukommen. Klassische durch mangelhaftes Streitverhalten verletzte Bedürfnisse sind etwa Wertschätzung, nicht allein gelassen werden, einen geliebten Menschen nicht unglücklich erleben und selbst hilflos sein, dazugehören, nicht erniedrigt oder ausgelacht zu werden, …
Bei mir gab es den Leitsatz, dass der Vater immer Recht hat. Wenn ich (was ich nur vereinzelt versuchte) eine andere Meinung äußerte oder widersprach, wurde es – aus einer kindlich-emotionalen Betrachtungsweise – für mich sehr unschön. Ich lernte also: „Wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt steigst du schlecht aus und es wird unschön! Besser du machst es allen recht!“
Auf den ersten Blick schaut es ja fast schön aus, wenn Menschen Konflikte vermeiden und Streit aus dem Weg gehen. Wer will schon eine Welt voller Auseinandersetzungen.
Aber wenn man genauer hinschaut hat es weitreichende und nachhaltige Konsequenzen, wenn die Hälfte der Menschen nicht für sich und ihre Bedürfnisse einsteht (obwohl sie weiterhin da sind und unbewusst beeinflussen), ihren eigenen Weg nicht geht, kleinste Kritiken und Diskussionen überpersönlich nimmt und damit jede Entwicklung bremst. Auch Perfektionismus und unsere Fehlerkultur (Fehler werden angeprangert und medial ausgeschlachtet) stehen mit der Konfliktvermeidung im Zusammenhang. Und das sind nur einige der Folgen…
Wer erkannt hat, dass Konfliktvermeidung um jeden Preis und Einsatz aller Kräfte für ihn nicht mehr das richtige ist, kann neues, stimmiges Verhalten erlernen. Für Erwachsene sind Konflikte selten lebensbedrohlich! Man muss aber bedenken, dass das Umfeld seine Zeit braucht, um mit der neuen Situation umzugehen. Das bekomme ich selbst immer wieder zu spüren.